Arbeitswelt Industrie – Anforderungen an den Ingenieur der Zukunft

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Industrie 4.0: Veränderte Anforderungen an Ingenieure und Ingenieurinnen

Die Weiterentwicklung der Industrie unter dem Schlagwort Industrie 4.0 ist aktuell ein stark diskutiertes Thema. In einem Punkt sind sich die Akteure der öffentlichen Debatte einig: Aus der Digitalisierung der Industrie ergeben sich auch veränderte Anforderungen an IngenieurInnen und Fachkräfte. Bisher bleibt jedoch unklar, wie diese Anforderungen aussehen und erfüllt werden können. Der Branchenverband der Elektroindustrie ZVEI fordert im Angesicht der "rasanten technischen Entwicklung": "Auf der Weiterbildung muss daher in den nächsten Jahren der Fokus liegen." Bitkom, der Branchenverband der Informations- und Telekommunikationsbranche, sieht in der "[b]ranchenübergreifende[n] Qualifizierung von Hightech-Spezialisten" einen Weg in die digitalisierte Wirtschaft und die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ins Leben gerufene Plattform Industrie 4.0 fordert eine "neue Kultur der Weiterbildung".

Befragung: Anforderungen an den Ingenieur der Zukunft

Von Juli bis August 2015 führte das Weiterbildungsprogramm Intelligente Eingebettete Mikrosysteme (IEMS) der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg eine Studie durch, um zu ermitteln, über welche interdisziplinären Fachkompetenzen der Ingenieur / die Ingenieurin der Zukunft verfügen muss. Im Rahmen eines Fragebogens haben 94 Ingenieure und Ingenieurinnen, Fach- und Führungskräfte aus der Industrie ihre Einschätzung zur Weiterentwicklung der Industrie und deren Auswirkungen auf die Personalentwicklung abgegeben. Dafür wurde sowohl der Kenntnisstand der Befragten hinsichtlich einiger im Kontext mit der Weiterentwicklung der Industrie genannten technologischen Aspekte erfasst als auch die Relevanz verschiedenster Kompetenzen für das eigene Unternehmen erfragt.

Kompetenzprofile des Ingenieurs der Zukunft

Die vorliegenden Ergebnissen erlauben eine erste Antwort auf die Frage, in welchen Bereichen der Ingenieur und die Ingenieurin der Zukunft Kompetenzen für die Arbeit in der Industrie mitbringen muss. Vor allem Fragen der Personalentwicklung werden beleuchtet: Welche Maßnahmen halten Fach- und Führungskräfte für geeignet, um mit der technologischen Entwicklung Schritt halten zu können? Welche Anforderungen werden an die Aus- und Weiterbildungskonzepte von Hochschulen gestellt, um auch künftige Personalbedarfe decken zu können? Die Ergebnisse der Befragung geben nicht nur einen Einblick in die Unternehmensrealität, sondern bilden einen Ausgangspunkt für die bedarfsgerechte Anpassung, Weiterentwicklung und Erstellung von Lehr- und Lernkonzepten in der wissenschaftlichen Weiterbildung an der Technischen Fakultät der Universität Freiburg. Das Weiterbildungsprogramm Intelligente Eingebettete Mikrosysteme (IEMS) entwickelt Formate, die insbesondere auf die Kompetenzentwicklung in kleinen und mittleren Unternehmen zugeschnitten sind.

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Kompetenzen für Industrie 4.0

Im Zuge der Weiterentwicklung der Industrie verändern sich auch die Anforderungen an Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Unternehmen. Die Digitalisierung in unterschiedlichen Ausprägungen umzusetzen, erfordert ein breites Spektrum an Fachkompetenzen – die von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich aussehen können. Rund 45% der Befragten gibt an, dass die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des eigenen Unternehmens nicht oder eher nicht über die richtigen Kompetenzen für die Umsetzung von Industrie 4.0-Aspekten verfügen. Nur 2% geben an, dass bereits ausreichende Kompetenzen im Unternehmen versammelt sind.

Neben Kooperationen mit anderen Unternehmen (70%) und Neueinstellungen (34%) hält es ein Großteil der Befragten für sinnvoll, auf Weiterbildungsmaßnahmen (85%) zu setzen, um den Kompetenzbedarf im Unternehmen decken zu können. Nur ein geringerer Teil setzt auf eine Auslagerung von Prozessen auf externe Dienstleister oder möchte Fachkräfte aus dem Ausland anwerben.

Wissenschaftliche Weiterbildung

Rund 79% der Befragten schätzt wissenschaftliche Weiterbildung als sinnvolle Maßnahme ein, um Fachkräfte des eigenen Unternehmens fit für neue Entwicklungen zu machen (Ja = 32%; Eher ja = 47%). Nur 12% halten wissenschaftliche Weiterbildung nicht für geeignet. Dabei ist der Stellenwert wissenschaftlicher Weiterbildung aktuell nur in 40% der Unternehmen als hoch einzuschätzen. In 41% der Fälle nimmt wissenschaftliche Weiterbildung einen eher geringen Stellenwert ein.

Wissenschaftliche Weiterbildung kann in der Personalentwicklung eingesetzt werden, um das Wissen und die Kompetenzen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen systematisch zu vertiefen und auszubauen. Mit der Teilnahme an wissenschaftlicher Weiterbildung kann zum Beispiel Wissen über komplexe Techniken und Verfahren erworben werden, die für die Arbeitswelt des/der Teilnehmenden relevant sind. Zugleich erwerben die Teilnehmenden Kompetenzen, die sie dazu befähigen, über den Tellerrand hinauszuschauen und so zu kreativen und innovativen Problemlösern im Unternehmen zu werden. 

Technologien für Industrie 4.0

Während Politik, Verbände und Großunternehmen bereits zahlreiche Whitepaper und Roadmaps zur Umsetzung von Industrie 4.0 publiziert und erste Best Practice-Beispiele umsetzt haben, wird oft gemahnt, die gesamte Industrie – auch und vor allem kleine und mittlere Unternehmen – müsse für die Digitalisierung sensibilisiert und mitgenommen werden. Damit dieser Prozess gelingen kann, muss zunächst das Wissen über die technologischen Aspekte von Industrie 4.0 in die Unternehmen gebracht werden, damit diese eine auf die betriebliche Situation passende Umsetzungsstrategie entwickeln können. Vor allem IT-Security-Aspekte (Datenschutz, Informationssicherheit) und die Möglichkeiten des Cloud Computings (Echtzeitdaten, Big Data, Apps) sind einem Großteil der Befragten bekannt. Der intelligenten Produktion und der Relevanz von Sensoren und Aktoren für deren Umsetzung wird zwar eine hohe Bedeutung beigemessen – Cyber Physical Systems sind jedoch rund einem Drittel der Befragten kein Begriff, obwohl sie die Grundlagentechnologie dafür bilden. Auch einige Aspekte der viel zitierten Intelligenten Fabrik – Social Machines, Plug and Produce und Low Cost Automation – sind noch nicht allen Befragten bekannt oder/und werden als nicht zukunftsrelevant eingestuft.

Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Frage, welche der bekannten technologischen Aspekte als zukunftsrelevant für das eigene Unternehmen eingestuft werden. Die Themen Safety und Security nehmen auch hier eine zentrale Position ein: Ausfallsicherheit sowie Datenschutz und Informationssicherheit werden von jeweils mehr als 60% der Befragten als bedeutsam für das eigene Unternehmen eingestuft. Ähnliche Werte erreichen Echtzeitdaten und die intelligente Produktion sowie Sensoren und Aktoren, während Social Machines, Plug and Produce und Cyber Physical Systems keine Zukunftsrelevanz im Unternehmen zugesprochen wird. Auch hier zeigt sich ein Zusammenhang zwischen der Bekanntheit eines Themas und dessen Einschätzung hinsichtlich der Relevanz. Obwohl die Befragten nur die ihnen bekannten technologischen Aspekte für das eigene Unternehmen bewerten mussten, werden die allgemein unbekannteren Aspekte zugleich als weniger wichtig eingestuft.

Kompetenzen für Industrie 4.0

Zur Umsetzung der technologischen Aspekte der Industrie der Zukunft werden verschiedene Kompetenzen von Seiten der Mitarbeitenden benötigt. Vor allem in den Bereichen Softwareentwicklung, Sensorik sowie Systemsicherheit und Verifikation und Validierung wird von gut 60% der Befragten ein steigender Bedarf erwartet. Auch Hardware/Software-CoDesign, Echtzeitanwendungen, Signalverarbeitung und agiles Projektmanagement erreichen Werte über 50%. 

Klassische Ingenieurskompetenzen sind hier genauso gefragt wie Informatikkompetenzen. Vor diesem Hintergrund scheint es nur konsequent, dass sich zwei Drittel der Befragten für ein interdisziplinäres Studium an Hochschulen aussprechen.

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